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Die multidisziplinäre Therapie des Oesophagus-Karzinoms (OeK)

Einführung

Das OeK ist einer der am wenigsten gut untersuchten Tumoren und gleichzeitig auch einer der tödlichsten. In den westlichen Ländern liegt die 5-Jahres-Überlebensrate immer noch unter 10% und die meisten Patienten sterben innerhalb der ersten 2 Jahre nach der Diagnosestellung [1]. Der Grund dafür ist, dass bei Diagnose die meisten dieser Tumoren schon mindestens lokal fortgeschritten oder systemisch metastasiert sind. Histologisch handelt es sich um Plattenepithelkarzinome, im unteren Oesophagus inklusive Übergang zum Magen immer häufiger um Adenokarzinome. Die Plattenepithelkarzinome mit den Risikofaktoren Alkohol- und Nikotinkonsum nehmen tendenziell eher ab in unseren Breitegraden. Hingegen nimmt die Inzidenz der Adenokarzinome in allen westlichen Ländern rapide zu. In Europa wächst die Inzidenz dieses Tumors schneller als bei allen anderen Tumoren [2]. Häufig entsteht dieser Tumor auf dem Boden einer Metaplasie (Barett-Oesophagus) bedingt durch chronischen Reflux. Der eigentliche Grund für den schnellen Anstieg der Inzidenz ist aber unklar.

 

Diagnostik

Meistens wird mit einer oberen Endoskopie mittels Biopsie die Diagnose stellt. Die weiteren Staginguntersuchungen folgen wie in folgender Abbildung dargestellt:

 

 

 Die Endosonographie (EUS) ist fähig das T-Stadium mit hoher Genauigkeit zu bestimmen (Spezifität ca. 90%). Zudem können tumornahe Lymphknoten dargestellt und mit sonographischen Kriterien eher als maligne oder benigne eingestuft werden. Dazu kommt neu die PET-Untersuchung. Sie kann auch weiter vom Tumor entfernte Lymphknoten erfassen und weist oft zusätzliche im CT noch nicht sichtbare Metastasen nach. Das PET führt gegenüber einem Staging mit CT und EUS in ca. 15-20% der Fälle zu einem Upgrading und so häufig zur Verhinderung einer nutzlosen Operation [3]. In dieser Situation also eine sehr kostensparende Untersuchung, ganz zu schweigen von der verhinderten Morbidität durch die Operation.

Die Stadieneinteilung nach TNM ist in dieser Tabelle dargestellt:

 

 

Klinisch wichtig ist die Unterscheidung zwischen lokalisiertem Stadium (T1/2, N0), lokal fortgeschrittene Tumoren (T3 und/oder N+) und metastasierenden Tumoren. Technisch noch operable T4-Tumoren sowie M1a-Tumoren werden je nach Studie und Zentrum analog den metastasierenden oder lokal fortgeschrittenen behandelt.

 

Die Prognose der Tumoren ist stark vom Stadium abhängig. Frühe Stadien mit negativen Lymphknoten und vollständiger Resektion zeigen 5-Jahres-Überlebensraten von 50-80%. Sobald die Lymphknoten befallen sind, sinken die Langzeitüberlebensraten auf unter 20-30%. Das mittlere Überleben von hämatogen metastasierten Tumoren liegt je nach Patientenselektion nur noch bei 6-12 Monaten.

 

Therapieoptionen

Adenokarzinome und Plattenepithelkarzinome sind biologisch verschiedene Tumorentitäten mit unterschiedlichen Pathogenesen, trotzdem wurden diese bisher in den meisten Studien nicht unterschieden.

 

Lokale Stadien

Die seltenen, nodal-negativen Frühstadien (T1,2) werden in aller Regel operiert. Prospektive Studien dazu gibt es kaum, nur retrospektive, chirurgische Serien. Bei aus medizinisch Gründen vorliegender Inoperabilität kommt eine Radiotherapie oder kombinierte Radiochemotherapie in Frage.

 

Lokal fortgeschrittene Stadien

Viele Patienten befinden sich bei Diagnosestellung schon in einem lokal fortgeschrittenen Stadium. Es ist anzumerken, dass in Studien verschiedene Definitionen von «locally advanced» verwendet werden, je nach Staging mit oder ohne PET und EUS.

 

 

Der Eckpfeiler der Therapie über viele Jahre war die Chirurgie. Die Resultate mit 2-Jahres-Überlebensrate von ca. 35% und nur noch 15-20% nach 5 Jahren sind schlecht [4]. Zudem liegt die Mortalität dieser grossen Operation zwischen 5-10%. Seit Jahren wird nun versucht diese Resultate zu verbessern mit verschiedenen Kombinationen und Sequenzen von Strahlentherapie, Chemotherapie und Chirurgie. Eine der aktuellen Hauptfragen ist, ob die Chirurgie nach gutem Ansprechen auf eine Radiochemotherapie nur noch eine grosse Biopsie mit viel Morbidität darstellt oder ob diese gerade bei den gut ansprechenden Patienten essentiell ist für das Outcome der Patienten. Hier zuerst eine Übersicht des heutigen Wissens zusammengestellt vorwiegend aus der Datenbank der Cochrane Library:

  • Präoperative Radiotherapie vs. Chirurgie alleine: 5 randomisierte Studien mit 1’147 Patienten zeigen keinen Vorteil für die präoperative Radiotherapie [5].
  • Präoperative Chemotherapie vs. Chirurgie alleine: 11 randomisierte Studien mit 2’051 Patienten zeigen einen kleinen Überlebensvorteil für die Chemotherapie [6].
  • Präoperative Radiochemotherapie vs. Chirurgie alleine: Hier wurden in einem aktuellen Review 6 randomisierte Studien zusammengefasst. Auch hier verbessert die präoperative Therapie das Langzeitüberleben trotz mehr Komplikationen nach der Operation. NNT sind hier 10 Patienten. Die gut auf die Vortherapie ansprechenden Patienten (pathologisch komplette Remission) zeigen jedoch einen hochsignifikanten Überlebensvorteil.
  • Alleinige Radiochemotherapie: Natürlich wurde auch versucht auf die Operation zu verzichten. Alleinige Radiotherapie weist in grossen Serien ein Langzeitüberleben von nur 0-10% auf. Eine Schlüsselarbeit kam dann von Herskovic 1992, welcher zeigen konnte, dass kombinierte Radiochemotherapie Langzeitüberleben in 20-25% der Fälle ermöglichte ähnlich wie mit Chirurgie alleine [7]. Diese Daten wurden in der Zwischenzeit schon mehrfach bestätigt.

Zusammen führt dies zu 3 akzeptierten Standards weltweit:

  • Radiochemotherapie alleine
  • Präoperative Chemotherapie mit Chirurgie
  • Präoperative Radiochemotherapie mit Chirurgie

Nun müssten diese Standards in definierten Patientengruppen gegeneinander verglichen werden. Bisher sind 2 grosse europäische Studien abgeschlossen, welche beide Radiochemotherapie mit und ohne Chirurgie verglichen. Es ist anzufügen, dass bei Verzicht auf Chirurgie höhere Radiotherapiedosen verwendet werden und auch diese Therapie recht toxisch sein kann. Beide Studien sind bisher nur als Abstract publiziert, die Ergebnisse sind also mit Vorsicht zu werten.

 

Radiochemotherapie ± Chirurgie: In der französischen Arbeit [8] wurden alle Patienten erst mit Radiochemotherapie behandelt, dann wurden nur die Responders randomisiert zwischen anschliessender Chirurgie oder weiterer Radiotherapie mit zusätzlich 3 Zyklen Chemotherapie. Nach kurzer Beobachtungszeit zeigten die beiden Arme bisher keinen Unterschied im Überleben. Die Frühmortalität nach Chirurgie war höher als im Arm ohne Operation, dafür traten später weniger lokale Probleme auf. Unklar bleibt wie zuverlässig die Response während der Radiotherapie beurteilt werden kann. Zudem erhielten die Patienten ohne Chirurgie in dieser Studie deutlich mehr Chemotherapie, also systemische Therapie, was natürlich den randomisierten Vergleich der Lokaltherapien beeinflusst haben könnte.

 

In der zweiten Studie aus Deutschland [9] wurden nur Plattenepithelkarzinome eingeschlossen. Es wurden alle Patienten mit 3 Zyklen Induktionschemotherapie vortherapiert und erst dann randomisiert zwischen RCT und RCT mit Chirurgie. Auch hier zeigte sich bisher kein Unterschied bezüglich Überleben. Aber die Patienten im Arm ohne Chirurgie waren deutlich häufiger lokal progredient. Sofern bei den Non-Respondern noch eine komplette Resektion möglich war, profitierten sie auch bezüglich Überleben von der Chirurgie.

 

Meine zugegebenermassen subjektive Konklusion aus der aktuellen Datenlage ist die folgende: Es gibt die auf die RCT gut ansprechenden Patienten, die haben keinen oder sehr kleinen Vorteil von einer zusätzlichen Operation. Die Non-Responder hingegen können von der Chirurgie profitieren vor allem bezüglich lokaler Probleme. Die Frage bleibt aber, wie wir frühzeitig diskriminieren sollen zwischen Respondern und Non-Respondern. Zur Auswahl stehen hier prädiktive biologische Marker oder auch eine frühe PET-Kontrolle als Response-Assessement.

 

Aber dafür benötigen wir saubere, prospektiv durchgeführte Studien. Diese sind aber bei diesem diagnostisch und therapeutisch höchst interdisziplinären Tumor sehr komplex und aufwendig. Daher werden uns die Diskussionen inwieweit die Chirurgie nötig ist und wenn ja bei welchen Patienten noch lange begleiten. In der Schweiz werden aktuell 2 multizentrische Studien für Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren durchgeführt. Dabei werden moderne Chemotherapeutika integriert, die PET-Untersuchung als frühes Response-Assessement geprüft und die Lebensqualität während diesen intensiven Therapien verfolgt. Nahezu alle Zentren der Schweiz nehmen daran teil.

 

Metastasierende Stadien

Hier richten sich die Therapien vor allem nach Allgemeinzustand, Alter und Beschwerdebild der Patienten. Bei Fernmetastasen und gutem AZ kann eine palliative Chemotherapie verabreicht werden. Häufig erreichen wir damit einen schnellen palliativen Effekt, leider dauert dieser oft nur wenige Monate an. Bei im Vordergrund stehenden lokalen Problemen, kann eine perkutane RT, Brachytherapie oder auch eine Stenteinlage diskutiert werden.

 

Konklusion

Die Inzidenz der Oesophagus-Karzinome im unteren Drittel des Oesophagus nehmen sehr schnell zu. Die meisten Patienten sterben innert 2-3 Jahre an diesem Tumor, auch wenn viele Patienten sich bei Diagnosestellung in sehr gutem Allgemeinzustand präsentieren und der Tumor „nur“ lokal fortgeschritten ist. Die Therapie in diesen Stadien ist multidisziplinär, wobei die beste Sequenz der verschiedenen Therapieoptionen unklar ist, insbesondere ob und vor allem für welche Patientengruppen die Chirurgie einen Vorteil bringt. Fortschritte bei diesem Tumor werden auch in Zukunft nur langsam gemacht werden.

 

 

Dr. med. Thomas Ruhstaller, Oberarzt, Fachbereich Onkologie/Hämatologie, Kantonsspital St. Gallen.

 

 

Acknowledgement
Ich danke Herr. Dr. med. Reto Kälin, Neukirch-Egnach, recht herzlich für die Durchsicht des Manuskripts aus Sicht des Hausarztes und seiner konstruktiven Kritik bezüglich Verständlichkeit.


Referenzen

1. EUROCARE-3 summary: cancer survival in Europe at the end of the 20th century. Ann Oncol. 2003;14 Suppl 5:v128-49.
2. Pohl H, Welch HG. The role of overdiagnosis and reclassification in the marked increase of esophageal adenocarcinoma incidence. J Natl Cancer Inst. 2005 Jan 19;97(2):142-6.
3. Luketich JD, Schauer PR, Meltzer CC et al. Role of positron emission tomography in staging esophageal cancer. Ann Thorac Surg. 1997 Sep;64(3):765-9.
4. Muller JM, Erasmi H, Stelzner M et al. Surgical therapy of oesophageal carcinoma. Br J Surg. 1990 Aug;77(8):845-57. Review.
5. Arnott SJ, Duncan W, Gignoux M et al. (Oeosphageal Cancer Collaborative Group). Preoperative radiotherapy for esophageal carcinoma (Cochrane Review). The Cochrane Library , Issue 1, 2005 . Chichester, UK.
6. Malthaner R, Fenlon D. Preoperative chemotherapy for resectable thoracic esophageal cancer (Cochrane Review - abstract). The Cochrane Database of Systematic Reviews 2003, Issue 4.
7. Herskovic A, Martz K, al-Sarraf M et al. Combined chemotherapy and radiotherapy compared with radiotherapy alone in patients with cancer of the esophagus. N Engl J Med. 1992 Jun 11;326(24):1593-8.
8. Bedenne L, Michel P, Bouche O et al. Randomized phase III trial in locally advanced esophageal cancer: radiochemotherapy followed by surgery versus radiochemotherapy alone (FFCD 9102). Proc Am Soc Clin Oncol: 2002: page 103a (abstr 519).
9. Stahl M, Wilke H, Walz MK Seeber S et al. Randomized phase III trial in locally advanced squamous cell carcinoma (SCC) of the esophagus: Chemoradiation with and without surgery. Proc Am Soc Clin Oncol 22: page 250, 2003 (abstr 1001).

 
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