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Sodbrennen und saures Aufstossen
Beschwerden zwischen Refluxkrankheit und Dyspepsie.

 

Was führt einen Patienten eigentlich zum Arzt? Häufig sind es im Vordergrund stehende körperliche Symptome wie zum Beispiel Oberbauchbeschwerden und Sodbrennen. Tatsächlich gehören diese zu den häufigsten Symptomen mit denen sich der Arzt in der Praxis konfrontiert sieht. Traditionellerweise wird angenommen, dass Patienten, die überwiegend über Sodbrennen oder saures Aufstossen klagen, an einer gastro-ösophagealen Refluxkrankheit leiden. Nur stimmt dies wirklich? Die Mehrzahl der Patienten weisen bei der Endoskopie keine Reflux-assoziierten Veränderungen auf und werden der sog. „nicht-erosiven Refluxkrankheit“ (Non-Erosive Reflux Disease = NERD) zugeordnet. In dieser heterogenen Patientengruppe finden sich aber viele Patienten mit funktionellen Beschwerden, deren Ansprechen auf eine säurehemmende Therapie unvorhersehbar ist. Der folgende Artikel wird Ihnen die unterschiedlichen Ursachen von Sodbrennen und saures Aufstossen aufzeigen, einen rationalen Diagnoseansatz bieten und mögliche Therapien diskutieren.

 

Definition

Sodbrennen und saures Aufstossen werden als typische Symptome einer gastro-ösophagealen Refluxkrankheit betrachtet. Patienten mit diesen Beschwerden, die in der Endoskopie eine normale Ösophagusmukosa zeigen, leiden nach der heute gültigen Einteilung an einer sog. „nicht-erosiven Refluxkrankheit“ (= NERD), die auch „Endoskopie negative Refluxkrankheit“ genannt wird. Bei diesen Patienten wird ungeachtet der normalen Mukosa davon ausgegangen, dass eine Form der gastro-ösophagealen Refluxkrankheit vorliegt und die Beschwerden durch Säurereflux provoziert sind. Effektiv leiden bis zu 70% der Patienten mit Refluxbeschwerden an einer NERD. Daneben verbirgt sich hier aber auch eine Gruppe von Patienten mit funktionellem Sodbrennen. Beim funktionellen Sodbrennen ist nicht nur die Endoskopie normal sondern auch die Säureexposition des Ösophagus. Dieses funktionelle Sodbrennen gehört in die Gruppe der sog. „funktionellen Dyspepsie“ (oder „Non-Ulcer Dyspepsie“). Früher wurde unter dem Begriff der Dyspepsie ganz allgemein eine Verdauungsstörung verstanden. Heutzutage beschreibt dies jedoch Beschwerden zentriert im Oberbauch. Vielfältige Symptome unter anderem auch Sodbrennen (s. Tabelle 1) fallen darunter.

 

 

Tabelle 1: Beschwerdespektrum bei funktioneller Dyspepsie

 

Beschwerdespektrum bei funktioneller Dyspepsie

Sodbrennen / saures Aufstossen
Lokalisierte epigastrische Schmerzen
Diffuse Schmerzen im Oberbauch 
Nächtliches Hungergefühl 
Schmerzen bei leerem Magen 
Völlegefühl nach dem Essen 
Rasches Sättigungsgefühl
Nausea 
Erbrechen 

 

Phänomenologische Kriterien, mit dem Bestreben eine sichere Diagnose mit medizinisch vertretbarem Aufwand zu stellen, sind in ihrer revidierten Form als sog. „Rom-II-Kriterien“ veröffentlicht und im allgemeinen akzeptiert (s. Tabelle 2). Bei der Breite des dyspeptischen Beschwerdespektrums wurde in der Vergangenheit erfolglos versucht die Patienten in Untergruppen u. a. in eine Reflux-ähnliche Form zu unterteilen. Diese zusätzliche Gruppierung hat sich im Alltag wegen der ausgeprägten Symptomüberlappung nie bewährt und durchgesetzt. Patienten mit „Reflux-ähnlichen“ Beschwerden können also an einer funktionelle Dyspepsie oder aber tatsächlich an einer Refluxkrankheit leiden.

 

 

Tabelle 2: Rom-II-Kriterien der funktionellen Dyspepsie

 

Rom-II-Kriterien der funktionellen Dyspepsie
Während 3 von 12 Monaten kontinuierlich oder wiederholt:

Unbehagen oder Schmerzen im oberen mittleren Abdomen
Kein Zusammenhang mit Stuhlgang
Kein Hinweis auf organische Krankheit

 

Epidemiologie

Es ist unklar wie häufig funktionelles Sodbrennen in der Allgemeinbevölkerung ist, da die meisten Patienten deswegen nie einen Arzt aufsuchen. 30-50 % der Patienten, bei denen initial während der ärztlichen Konsultation eine NERD vermutet wird, haben in der 24 Stunden pH-Metrie normale Werte und leiden an funktionellem Sodbrennen. Der durch Studien gewonnene Eindruck, dass es sich dabei meist um jüngere, schlanke Frauen handelt, ist höchstwahrscheinlich nur durch das geschlechtspezifische Konsultationsverhalten zu erklären.

 

Diagnostik

Obwohl die Qualität der Anamnese eine wichtige Rolle einnimmt, lässt sich dadurch nicht mit Sicherheit entscheiden ob eine gastro-ösophageale Refluxkrankheit oder ein funktionelles Sodbrennen vorliegt. Ebenso wenig korreliert der Schweregrad der Beschwerden mit dem Ausmass der Ösophagusläsionen. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten mit Oberbauchbeschwerden verspüren aber mehr als ein Symptom. In einer kanadischen Untersuchung schilderten über 80% der befragten Patienten mehr als sechs unterschiedliche Beschwerden. Diese anamnestischen Angaben können allenfalls kombiniert mit einer einfachen klinischen Untersuchung bereits richtungsweisend sein. Bei ungefähr 10 % der Patienten mit Dyspepsie finden sich hier sog. Alarmzeichen; also Hinweise auf eine mögliche organische Ursache der Klinik. Als Warnzeichen sind unterschiedlichste Aspekte wie zum Beispiel Beginn der Beschwerden erst nach dem 45. Altersjahr, regelmässiger Konsum nicht-steroidaler Antirheumatika, ungewollte Gewichtsabnahme, Fieber oder Vorliegen einer Eisenmangelanämie zu werten (s. Tabelle 3). Obwohl alle diese Alarmzeichen nur einen niedrigen positiven Aussagewert zur Diagnose einer organischen Ursache haben, beeinflussen sie die weitere Abklärungsstrategie massgeblich. Die Wahrscheinlichkeit ein peptisches Ulkus, eine Refluxösophagitis oder deutlich seltener ein Malignom zu finden, ist genügend erhöht, um eine Endoskopie zu rechtfertigen. Bei Patienten ohne Alarmzeichen ist eine probatorische Therapie sicher vertretbar.

 

 

Tabelle 3: Alarmzeichen

 

Alarmzeichen

 
Anorexie  Anämie
Frühzeitige Sättigung  Fieber
Nahrungsmittelaversion    
Gewichtsverlust   
Dysphagie   
Hämatemesis   
Persistierendes Erbrechen   
Therapie-refraktäre Dyspepsie   


Wird nun bei der Endoskopie eine normale Mukosa gefunden, leiden die Patienten entweder an einer NERD oder an funktionellem Sodbrennen. Zur weiteren Unterscheidung sind endoskopisch entnommene Biopsien wenig hilfreich. Lediglich die 24 Stunden pH-Metrie kann weiterhelfen. Allerdings wird diese Abklärung häufig nur dann vorgeschlagen, wenn Patienten mit typischen Refluxbeschwerden auf eine säurehemmende Behandlung ungenügend ansprechen. Hier ist es wichtig die 24 Stunden pH-Metrie unter der laufenden Therapie zu veranlassen, um die Ursache weiter klären zu können. Über 60% der Patienten mit vermuteter NERD zeigen in der 24 Stunden pH-Metrie Normalwerte und leiden an funktionellem Sodbrennen (s. Abbildung 1).


 

Abbildung 1: Unterschiedliche Gruppen von Patienten mit Sodbrennen

 

 


 

Ursache

Gastro-ösophageale Refluxkrankheit
Lange galt „ohne Säure kein Sodbrennen“ als unumstösslich, da eine enge Assoziation zwischen gastro-ösophagealem Säurereflux und Sodbrennen naheliegend schien. Dies mag zwar für die unterschiedlichen Formen der gastro-ösophagealen Refluxkrankheit (GERD, NERD) stimmen, aber dennoch bleibt die Frage warum nur ein kleiner Anteil der Patienten Beschwerden verspüren. Nicht mehr als 5% aller Säurerefluxepisoden provozieren Symptome ob nun eine Mukosaläsion im Ösophagus vorliegt oder nicht. Was letztlich die Symptome provoziert, ist noch unklar. Diskutiert werden spezifische Anteile des Reflux’ wie Pepsin, Galle oder Wasserstoff-Ionenkonzentration aber auch unterschiedliche Ausprägungen der Refluxepisoden wie Dauer oder Anzahl. Die Aufnahme einer Mahlzeit, zählt zu den häufigsten auslösenden Faktoren, die zu Sodbrennen führen, speziell wenn die Kost fettreich ist. Fettinstillation in das Duodenum von Patienten mit Refluxkrankheit, verkürzt nicht nur die Zeit bis Sodbrennen verspürt wird sondern verschlimmert auch die Stärke der Symptomatik. Möglicherweise spielen bereits hier Veränderungen der viszeralen Wahrnehmung eine wesentliche Rolle, die durch Hormone wie Cholezystokinin, Neurotransmitter, oder Enzyme moduliert wird. Sicher kommt aber der veränderten viszeralen Wahrnehmung bei peripher neuronalen und zentralnervösen Mechanismen eine bedeutende Rolle zu. So führen psychologische Komorbiditäten wie Angst, Stress, oder Depression dazu, dass geringe ösophageale Stimuli bei Patienten mit Refluxkrankheit bereits als schmerzhaft empfunden werden. Wahrscheinlich zeichnen sich diese Patienten durch eine vermehrte Wachsamkeit auf intra-ösophageale Ereignisse aus, die sie schlussendlich als schmerzhaft interpretieren. Tatsächlich führen entspannende Behandlungen zu einer Linderung der Beschwerden, ohne dass die Refluxepisoden vermindert werden.

 

Funktionelles Sodbrennen
Eine bedeutende Zahl von Patienten verspürt zwar Sodbrennen zeigt aber in der Endoskopie eine reizlose Ösophagusmukosa und in der 24 Stunden pH-Metrie eine physiologische Säureexposition. Sie leiden demzufolge an funktionellem Sodbrennen. Die Vermutung liegt nahe, dass gewisse Patienten im Gegensatz zu Gesunden empfindlicher auf physiologische Säuremengen reagieren und einen sog. „.hypersensitiven“ oder „Säure-sensitiven“ Ösophagus haben. Diese würden in enger zeitlicher Korrelation zum Refluxereignis Symptome verspüren. Tatsächlich kann dies bei ca. 40% der Patienten mit funktionellem Sodbrennen beobachtet werden. Hier kann eine hochdosierte säurehemmende Therapie erfolgreich sein.

Liegt diese enge Assoziation zwischen Säurereflux und Beschwerden nicht vor, wird vermutet, dass andere intra- oder extraluminale Stimuli für die Klinik verantwortlich sind. Auf der einen Seite könnte es sich um alkalische Refluxereignisse, auf der anderen Seite auch um mechanische Reize handeln. Ballondehnungen des Ösophagus oder verlängerte Muskelkontraktionen des Ösophagus werden von den Patienten als typisches Sodbrennen wahrgenommen. Es ist naheliegend, dass in naher Zukunft noch weitere Untergruppen gefunden werden, die sich in ihrem pathophysiologischen Mechanismus unterscheiden. So sind vereinzelte Patienten vermehrt empfindlich auf den Gradient der pH-Veränderung auch wenn dieser nicht unter den pathologischen Wert von 4 absinkt (s. Abbildung 1).

 

Therapie

Säuresuppression
Die Säuresuppression mit einem Protonenpumpenblocker (PPI) ist bei einer vermuteten Refluxkrankheit die Therapie erster Wahl. Die PPI blockieren die Sekretion von Magensäure vollständig. Die Hemmung der H+/K+- ATPase, der sog. Säurepumpe, verunmöglicht den letzten Schritt der Säureproduktion, die Protonensekretion ins Magenlumen. Dadurch lässt sich eine wesentlich potentere Wirkung als die der H2-Antagonisten erreichen. Bei schweren Beschwerdebildern, bei Refluxösophagitis und auch bei der Langzeittherapie sind sie die wirkungsvollste medikamentöse Option. Die verschiedenen PPI unterscheiden sich prinzipiell nicht in ihrer Wirkungspotenz. Auch bei längerfristiger Einnahme bleibt die Wirkung unverändert effektiv. Die H2-Rezeptor Antagonisten sind demgegenüber weniger wirksam und können heutzutage allenfalls noch bei geringen Beschwerden versucht werden. Die Wirkung bei der Behandlung einer Refluxösophagitis wie auch bei der Langzeittherapie ist zu ungenügend, um sie hier noch zu empfehlen. H2-Blocker verlieren bei der chronischen Einnahme durch Toleranzentwicklungen an Effektivität.

Nur wenige Studien untersuchten den spezifischen Effekt einer PPI-Therapie bei funktionellem Sodbrennen. Werden Patienten mit vermuteter NERD während 4 Wochen mit einer Standarddosis eines PPI behandelt, sprechen sie bis zu 30% schlechter an als Patienten mit einer Refluxösophagitis. Der Hauptgrund dürften die Patienten mit funktionellem Sodbrennen sein, die in mehr als 45% ungenügend ansprechen. Bei denjenigen Patienten, die an einem hypersensitiven Ösophagus leiden, kann eine Verdoppelung der PPI-Standarddosierung allenfalls mit Aufteilung in 2 Tagesraten zum Erfolg führen. Falls die Patienten auch unter dieser Therapie weiterhin Beschwerden verspüren ist eine zusätzliche schmerzmodulierende Therapie indiziert.

 

 

Schmerzmodulation

Schmerzmodulierende Medikamente wurden bei funktionellem Sodbrennen nicht systematisch untersucht, könnten aber ein wichtige Option sein. Nun wenig Daten belegen eine mögliche Wirkung der Antidepressiva und der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer bei der Behandlung anderer funktioneller Beschwerden des Ösophagus wie zum Beispiel dem nicht-kardialen Thoraxschmerz. Ein niedrig dosierter Behandlungsversuch kann deshalb trotz unbefriedigender Datenlage gerechtfertigt und erfolgreich sein.

Obwohl überzeugende Studiendaten noch fehlen, könnte auch ein Behandlungsversuch mit dem 5-HT4-Agonisten Tegaserod ein erfolgsversprechender Ansatz sein. Tegaserod scheint durch seinen prokinetischen Effekt Refluxepisoden und durch die Modulation der viszeralen Wahrnehmung auch die provozierten Symptome zu vermindern. Die Therapie kann entweder alleine oder in Kombination mit einem der früher erwähnten Medikamente versucht werden.

 

 

Antirefluxchirurgie
Sowohl in der medikamentösen als auch chirurgischen Therapie wurden in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte erzielt. Inwieweit ein Patient mit chronischer, symptomatischer Refluxkrankheit tatsächlich von einer operativen Intervention profitiert, muss zumindest offen gelassen werden und gegen eine medikamentöse Langzeittherapie abgewogen werden. Gute Vergleichsuntersuchungen fehlen leider. Bei funktionellem Sodbrennen besteht auf jeden Fall keine Indikation zur Operation, da sich nie ein Nutzen zeigen liess.


 

PD Dr. med. Lukas Degen, Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Basel..


 

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14.11.2005 - ssc
 
 



 
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