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Thrombolyse beim akutem Schlaganfall

Das Ziel der Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls besteht darin, minderperfundiertes und reversibel geschädigtes Hirngewebe (Penumbra) vor dem Übergang in eine irreversible Schädigung zu bewahren. Eine Behandlungsoption besteht in der Wiedereröffnung des Gefässverschlusses durch Fibrinolytika wie rekombinanter Gewebeplasminogenaktivator (rt-PA) und Urokinase oder Thrombolytika wie Glykoprotein (GP) IIb/IIIa-Inhibitoren wie Abciximab, oder eine Kombination dieser Substanzen.

 

Intravenöse (iv) Thrombolyse mit rt-PA

Nach der Veröffentlichung der National Institute of Neurological Disorders and Stroke (NINDS) Studie [1] wurde die iv-Thrombolyse mit rt-PA im Jahre 2002 in der Schweiz als anerkannte Therapie für einen ischämischen Schlaganfall innerhalb von 3 Stunden nach Beginn der Symptome eingeführt. NINDS zeigte eine 11-13%ige Zunahme von Patienten, die kein oder nur ein geringes neurologisches Defizit nach 3 Monaten aufwiesen. Entsprechend müssen 8-9 Patienten behandelten werden, um einen Patienten mit keinem oder nur geringem neurologischen Defizit zu erreichen (Number Needed to Treat, NNT). Die Schlaganfallmortalität wurde nicht reduziert. Die Wirksamkeit der iv-Thrombolyse mit rt-PA wurde in Metaanalysen von Phase-III- und Phase-IV-Studien bestätigt [2]. Entsprechende Daten einer prospektiven Beobachtungsstudie bei 75 Patienten der Stroke Unit des Universitätsspital Zürich (USZ) zeigen, dass die Ergebnisse der NINDS-Studie auch in der Schweiz reproduzierbar sind: Siehe Tabelle 1

 

Durch zunehmende Verbesserung der Stroke Unit-Netzwerke und insbesondere des Zuweisernetzes erreichen immer mehr Patienten rechtzeitig eine Stroke Unit und können von einer Thrombolyse profitieren. So wurden beispielsweise 2000 in der Stroke Unit USZ 12 von 253 (5%) Patienten mit akutem Schlaganfall thrombolysiert, wovon 66 (26%) innerhalb von 6 Stunden nach Symptombeginn eintrafen. Im Jahre 2003 wurden bereits 42 von 351 (12%) Patienten mit akutem Hirnschlag thrombolysiert, wobei 186 (53%) Patienten innerhalb des 6 Stundenfensters aufgenommen wurden. Die Hauptnebenwirkung der iv-Thrombolyse mit rt-PA ist die symptomatische intrakranielle Blutung. Sie fand sich bei 6.4 - 8.8% von 2’652 in Phase-III-Studien untersuchten Patienten [1,3-6], bei 5.1% von 2’529 Patienten einer Metaanalyse von Phase-IV-Studien [7], und bei 4% von 75 Patienten der Stroke Unit USZ (unveröffentlichte Daten). Symptomatische intrakranielle Blutungen führten in fast der Hälfte der Fälle zum Tod, während die Überlebenden meist ein schweres Defizit zeigen [1]. Dies ist der wichtigste Grund dafür, dass die Indikation zur iv-Thrombolyse unter strikter Beachtung der Einschluss und Ausschlusskriterien erfolgen sollte. Die iv-Thrombolyse soll an einem erfahrenen Zentrum durchgeführt werden, da sonst eine Zunahme der Schlaganfallmortalität zu befürchten ist [8].

 

Lokale intraarterielle Thrombolyse (LIT) bei Mediathrombose

Die einzige kontrollierte Studie, PROACT-II, randomisierte 180 Patienten mit Verschluss des Hauptstamms (M1) oder eines Hauptastes (M2) der A. cerebri media (MCA) innerhalb von 6 Stunden nach Auftreten der Schlaganfallsymptome in einem 2:1-Verhältnis zu LIT mit rekombinanter pro-Urokinase und Heparin oder Heparin [9]. Die Anzahl von selbstständigen Patienten nach 3 Monaten war in der Verumgruppe signifikant häufiger als in der Kontrollgruppe (40% vs. 25%; NNT 7). Einen Einfluss auf die Schlaganfallmortalität fand sich nicht. Die Rate von symptomatischen Hirnblutungen in den ersten 24 Stunden war 10% in der Verum- und 2% in der Kontrollgruppe. Wegen der niedrigen Patientenzahl in der Kontrollgruppe wurde die LIT bis jetzt noch in keinem Land zugelassen. Die Ergebnisse von PROACT-II wurden jedoch in einer Berner Beobachtungsstudie in eindrücklicher Weise bestätigt, indem sogar 59% von 100 Patienten nach 3 Monaten selbstständig waren [10]. Die Mortalität (13% vs. 25%) und die Rate von symptomatischen Hirnblutungen innerhalb von 24 Stunden (4% vs. 10%) war in der Berner Untersuchung geringer als in der PROACT-II-Studie. Vergleichsstudien iv-Thrombolyse versus LIT liegen nicht vor, sodass zur Zeit unklar ist, welche Therapie effizienter oder sicherer ist.

 

LIT bei Basilaristhrombose

Es gibt keine kontrollierten Studien über die Sicherheit und Wirksamkeit der LIT bei Basilaristhrombose. In der Schweiz und anderen Stroke Units werden Basilaristhrombosen primär mit LIT behandelt. Der Grund besteht in der unbewiesenen Annahme, dass Basilaristhrombosen besser durch die LIT als durch eine iv-Thrombolyse rekanalisiert werden. Die LIT-Ergebnisse der Stroke Units von Bern und Zürich [11] sind gleich gut oder besser als die Ergebnisse früherer Studien [12-14]: Siehe Tabelle 2

 

Zukunft

Kombination von iv-Thrombolyse bei persistierender Mediathrombose mit anschliessender Media-LIT

Diese Therapie wurde im Emerging Management of Stroke Bridging Trial bei 35 Patienten und Fall-Kontroll-Serien evaluiert [15]. Es fand sich, dass die iv/ia-Thrombolyse eine höhere Rekanalisationsrate bewirkt, während sich keine Zunahme von symptomatischen Hirnblutungen zeigte [16-18]. Diese Therapie wird im Rahmen von Studien auch in Schweizer Stroke Units angewendet.

 

Ultraschallgestützte, iv-Thrombolyse mit rt-PA mittels transkranieller 2-MHz-Ultrasonographie

Dabei wird während der iv-Thrombolyse mit rt-PA die verschlossene, Hirnarterie, durch eine am Schädel fixierte oder vom Untersucher gehaltene Ultraschallsonde kontinuierlich beschallt. Präliminäre Daten einer kleinen Monozenterstudie zeigen, dass die ultraschallgestützte Thrombolyse eine höhere Rekanalisationsrate und eine signifikant höhere Zahl von Patienten mit einem guten funktionellen Ergebnis zu bewirken scheint [19]. Die im Februar 2004 an der 29th Stroke Conference in San Diego, CA, USA vorgestellten Daten der bei 126 Patienten durchgeführten «Combined Lysis Of Thrombus in Brain ischemia using transcranial Ultrasound and Systemic TPA» (CLOTBUST) Studie haben gezeigt, dass die transkranielle, ultraschallassistierte Thrombolyse sicher ist (kein erhöhtes Hirnblutungsrisiko), und die Zahl der Patienten mit Mediarekanalisation und deutlicher Verbesserung der neurologischen Defizite 2 Stunden nach Beginn der Therapie signifikant grösser ist. Eine entsprechende Studie läuft auch in einer Schweizer Stroke Unit.

 

Intravenöse Thrombolyse mit GP IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten

Im kürzlich beendeten und noch unpublizierten «Abciximab in Emergent Stroke Treatment Trial (AbESTT) wurden je 200 Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall im 6-Stundenfensters zu einer Infusionsbehandlung mit Abciximab oder Placebo randomisiert. Es fand sich ein Trend, dass nach 3 Monaten mehr Patienten kein oder nur ein geringes neurologisches Defizit in der Verum- als in der Placebogruppe zeigten (48.5 vs. 40%). Es zeigte sich ausserdem, dass Abciximab eine sichere Therapie ist, da es lediglich einen nicht signifikanten Trend zu einer erhöhten Zahl von Hirnblutungen gab (3.6 vs. 1.0%). Aktuell findet die AbESTT-II-Studie mit insgesamt 1’800 Patienten statt, an der auch Schweizer Stroke Units teilnehmen.

 

iv-Thrombolyse ausserhalb des 3-Stundenfensters nach Nachweis einer Penumbra mittels diffusions- (DWI) und perfusionsgewichteter (PWI) Kernspintomographie

Ischämische Läsionen können nach Minuten im DWI erfasst werden, während im PWI das Perfusionsdefizit dargestellt wird. Die Kombination dieser Untersuchungen erlaubt wahrscheinlich die Darstellung der Penumbra. Dadurch kann der potentielle Nutzen einer thrombolytischen Behandlung abgeschätzt werden. Entsprechende Studie laufen oder stehen vor dem Beginn, auch in Schweizer Stroke Units. Da im CT und Perfusions-CT wahrscheinlich ebenfalls eine Penumbra nachgewiesen werden kann [20], sind entsprechende Studien – auch in Stroke Units der Schweiz, am laufen.

 

 

Prof. Dr. med. Ralf W. Baumgartner, Leitender Arzt, Neurologische Klinik, Universitätsspital Zürich


Literatur
1. The National Institute of Neurological Disorders and Stroke rt-PA Study Group. Tissue plasminogen activator for acute ischemic stroke. N Engl J Med 1995;333:1581-1587.
2. The European Stroke Initiative Executive Committee and the EUSI Writing Committee. European Stroke Initiative Recommendations for Stroke Management – Update 2003. Cerebrovasc Dis 2003;16:311-337.
3. Hacke W, Kaste M, Fieschi C, Toni D, Lesaffre E, von Kummer R, Boysen G, Bluhmki E, Hoxter G, Mahagne MH. Intravenous thrombolysis with recombinant tissue plasminogen activator for acute hemispheric stroke. The European Cooperative Acute Stroke Study (ECASS). JAMA 1995;274:1017-1025.
4. Hacke W, Kaste M, Fieschi C, von Kummer R, Davalos A, Meier D, Larrue V, Bluhmki E, Davis S, Donnan G, Schneider D, Diez-Tejedor E, Trouillas P. Randomised double-blind placebo-controlled trial of thrombolytic therapy with intravenous alteplase in acute ischemic stroke (ECASS II). Second European-Australasian Acute Stroke Study Investigators. Lancet 1998;352:1245-1251.
5. Clark WM, Wissman M, Albers GW, Jhamandas JH, Madden KP, Hamilton S, for the ATLANTIS Study Investigators. Recombinant tissue-type plasminogen activator (alteplase) for ischemic stroke 3 to 5 hours after symptom onset. The ATLANTIS Study: a randomized controlled trial. JAMA 1999;282:2019-2026.
6. Albers GW, Clark WM, Madden KP, Hamilton SA. ATLANTIS trial. Results for patients treated within 3 hours of stroke onset. Stroke 2002;33:493-496.
7. Graham GD. Tissue plasminogen activator for acute ischemic stroke in clinical practice: a meta-analysis of safety data. Ann Neurol 2002;52:S24.
8. Heuschmann PU, Berger K, Misselwitz B, Hermanek P, Leffmann C, Adelmann M, Buecker-Nott HJ, Rother J, Neundoerfer B, Kolominsky-Rabas PL. Frequency of thrombolytic therapy in patients with acute ischemic stroke and the risk of in-hospital mortality. The German Stroke Registers Study Group. Stroke 2003;34:1106-1113.
9. Furlan A, Higashida R, Wechsler L, Gent M, Rowley H, Kase C, Pessin M, Ahuja A, Callahan F, Clark WM, Silver F, Rivera F, for the PROACT Investigators. Intra-arterial prourokinase for acute ischemic stroke. The PROACT II study: a randomized controlled trial. JAMA 1999;282:2003-2011.
10. Arnold M, Schroth G, Nedeltchev K, Loher T, Remonda L, Stepper F, Sturzenegger M, Mattle HP. Intra-arterial thrombolysis in 100 patients with acute stroke due to middle cerebral artery occlusion. Stroke 2002;33:1828-1833.
11. Arnold M, Nedeltchev K, Baumgartner RW, Remonda L, Schroth G, Loher TJ, Stepper F, Sturzenegger M, Schuknecht B, Mattle HP. Clinical and radiological predictors of recanalization and outcome in 40 patients with acute basilar artery occlusion treated with intra-arterial thrombolysis. J Neurol Neurosurg Psychiatr 2004;74(in press).
12. Hacke W, Zeumer H, Ferbert A, Brückmann H, Del Zoppo GJ. Intraarterial thrombolytic therapy improves outcome in patients with acute vertebrobasilar occlusive disease. Stroke 1988;19:1216-1222.
13. Zeumer H, Freitag JH. Local intraarterial fibrinolysis in acute vertebrobasilar occlusion. Neurology 1989;31:336-340.
14. Brandt T, von Kummer R, Müller-Küppers M, Hacke W. Thrombolytic therapy of acute basilar artery occlusion. Stroke 1996;27:875-881.
15. Lewandowski CA, Frankel M, Tomsick TA, Broderick J, Frey J, Clark W, Starkman S, Grotta J, Spilker J, Khoury J, Brott T. Combined intravenous and intraarterial r-TPA versus intraarterial therapy of acute ischemic stroke: Emerging Management of Stroke (EMS) Bridging Trial. Stroke 1999;30:2598-2605.
16. Ernst R, Pancioli A, Tomsick T, Kissela B, Woo D, Kantner D, Jauch E, Carrozzella J, Spilker J, Broderick J. Combined intravenous and intra-arterial recombinant tissue plasminogen activator in acute ischemic stroke. Stroke 2000;31:2552-2557.
17. Keris V, Rudnicka S, Vorona V, Enina G, Tilgale B, Fricbergs J. Combined intraarterial/intravenous thrombolysis for acute ischemic stroke. AJNR Am J Neuroradiol 2001;22:352-358.
18. Zaidat OO, Suarez JI, Santillan C, Sunshine JL, Tarr RW, Paras VH, Selman WR, Landis D. Response to intra-arterial and combined intravenous and intra-arterial thrombolytic therapy in patients with distal internal carotid artery occlusion. Stroke 2002;33:1821-1827.
19. Eggers J, Koch B, Meyer K, König I, Seidel G. Effect of ultrasound on thrombolysis of middle cerebral artery occlusion. Ann Neurol 2003;53:797-800.
20. Wintermark M, Reichhart M, Cuisenaire O, Maeder P, Thiran J-P, Schnyder P, Bogousslavsky J, Meuli R. Comparison of admission perfusion computed tomography and qualitative diffusion- and perfusion-weighted magnetic resonance imaging in acute stroke patients. Stroke 2002;33:2025-2031.

 



 
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