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Zytokinblocker in der Rheumatologie: Stellenwert aus aktueller Sicht

Neues Therapieprinzip

In der Therapie entzündlich-rheumatologischer Erkrankungen stellen die Zytokinblocker einen grossen Durchbruch dar. Sie erlauben, durch spezifische Inhibition bestimmter Zytokine, ganz gezielt in Entzündungsprozesse einzugreifen, entsprechend den in den letzten Jahren gewonnenen Erkenntnissen über die zugrundeliegenden molekularbiologischen Mechanismen der Pathogenese.

 

In der Rheumatologie erfolgte der Durchbruch für die Zytokinblocker 1999, als der TNF-Hemmer Etanercept für die Indikation «therapierefraktäre rheumatoide Arthritis» von der FDA zugelassen worden war. Damit hatte erstmals das Therapieprinzip «Blockade eines spezifischen Zytokins» erfolgreich den klinischen Alltag erreicht, allerdings erst nach Jahren des erfolglosen Bemühens in der Therapie der Sepsis. Dieses Prinzip wurde rasch auf andere entzündlich-rheumatologische Erkrankungen übertragen, von denen inzwischen manche mit grossem Erfolg so behandelt werden. Nachfolgend sollen die TNF-Blocker näher beleuchtet werden, da sie die am häufigsten verwendeten Zytokinblocker darstellen.

 

Beispiel TNF-Blocker

Funktionen von TNFa

Tumor Nekrose Faktor alpha (TNFa) wurde als eines der wichtigsten proinflammatorischen Zytokine identifiziert und hat in den Gelenken unter anderem folgende Wirkungen: Einwandern von Entzündungszellen, Vermehrung dieser Zellen und Produktion von Metalloproteinasen, welche knorpel- und knochendestruktiv wirken. TNFa beteiligt sich auch stark an der Vermittlung der systemischen Entzündungsaktivität und der dadurch bedingten Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Appetitmangel. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit und das C-reaktive Protein widerspiegeln oft das Ausmass dieser systemischen TNF-Wirkung.

 

Substanzen zur Hemmung von TNFa

Als TNF-Blocker stehen heute das Fusionsprotein Etanercept (Enbrel®) und die beiden Antikörper Infliximab (Remicade®) und Adalimumab (Humira®) zur Verfügung. Etanercept und Adalimumab werden subkutan appliziert, während Infliximab intravenös als Infusion gegeben wird.

 

Wirksamkeit

Im Vergleich zu herkömmlichen Basismedikamenten, wie z.B. Methotrexat, tritt die Wirkung der TNF-Blocker viel schneller ein. Oft nehmen Schmerzen und Steifigkeit schon nach ein bis zwei Tagen ab, und die Gelenkschwellungen beginnen innerhalb einer Woche sich zurückzubilden. Die durch die systemische Entzündungsaktivität bedingten Allgemeinsymptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit verschwinden häufig schlagartig, was ganz beträchtlich zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen kann. Allerdings sprechen auch auf die TNF-Blocker nicht alle Patienten an. Bei etwa einem Viertel bleibt die Wirkung ungenügend. Der erosiv-destruktive Prozess in den Gelenken kann stark gebremst und besonders bei Begleittherapie mit Methotrexat oft sogar zum Stillstand gebracht werden. Bei den seronegativen Spondarthropathien stellen die TNF-Blocker eine eigentliche Revolution dar, da sie die erste Substanzklasse sind, mit der eine Suppression der axialen Entzündungsaktivität erreicht werden kann, wodurch sich die gefürchtete Wirbelsäulenankylosierung vermeiden lassen dürfte.

 

Verträglichkeit

Die TNF-Blocker sind allgemein gut verträglich. Unter Etanercept und Adalimumab kann es einzig zu Hautreaktionen an der Injektionsstelle kommen. Unter Infliximab treten selten Infusionsreaktionen auf. Das Verhältnis von Wirksamkeit zu Toxizität ist besser als bei den herkömmlichen Basismedikamenten.

 

Infektrisiko

Das wichtigste Problem der TNF-Hemmer und auch anderer Zytokinblocker stellt das mit ihnen verbundene Infektrisiko dar. Infekte treten etwas häufiger auf und können schwerer und atypisch verlaufen. Auch Tuberkulosereaktivierungen kommen vor. Bei infektgefährdeten Patienten ist grosse Vorsicht angebracht. Bei Fieber oder anderen Infektzeichen muss eine unverzügliche gründliche Abklärung erfolgen, insbesondere sind auch opportunistische Infekte zu suchen.

 

Hohe Kosten

Die TNF-Blocker werden in sehr aufwändigen biotechnologischen Verfahren hergestellt, was ihre hohen Kosten bedingt (ca. 15‘000 bis 30‘000 Fr. pro Jahr). Die direkten und indirekten Krankheitskosten können bei sorgfältiger Indikationsstellung aber reduziert werden, wodurch aus gesundheitsökonomischer Sicht gesamthaft sogar Einsparungen resultieren dürften.

 

Indikation

Aufgrund des Infektrisikos und der hohen Kosten sollten die TNF-Blocker nur bei Patienten eingesetzt werden, welche auf herkömmliche Therapien ungenügend ansprechen oder diese nicht vertragen.

Die TNF-Hemmung hat sich inzwischen nicht nur bei der rheumatoiden Arthritis, sondern auch bei den seronegativen Spondarthropathien (M. Bechterew, Psoriasisarthritis) und bei der juvenilen chronischen Arthritis etabliert. Auch in der Therapie mancher anderer Erkrankungen, wie z.B. der Uveitis beim M. Behçet, ist sie heute nicht mehr wegzudenken.

 

Zytokinblocker an der Rheumaklinik USZ

Einführung der TNF-Blocker

Als erste Schweizer Universitätsklinik haben wir anfangs 1999 die Anti-TNF-Therapie mit Etanercept in die klinische Routine eingeführt. Kurz danach folgte Infliximab, und seit 2002 setzen wir auch Adalimumab ein. An der Entwicklung dieses rein humanen Antikörpers waren wir seit 1998 mit klinischen Studien der Phase II und III beteiligt.

 

Interdisziplinäre Sprechstunde für rheumatoide Arthritis

In unserer Sprechstunde für rheumatoide Arthritis evaluieren wir den Einsatz dieser neuen Therapien. Ihre hervorragende Wirksamkeit verleitet dazu, die bewährten Behandlungsmöglichkeiten der Physio- und Ergotherapie zu vernachlässigen. Um dem entgegenzuwirken, erfolgt in der Sprechstunde immer auch eine physio- und ergotherapeutische Beurteilung. Dieses interdisziplinäre Vorgehen erlaubt ein bestmögliches Ausschöpfen des Rehabilitationspotentials.

 

Qualitätsmanagement

Die viel höheren Kosten und auch die Risiken der neuen Therapien erfordern geeignete Instrumente für ein Qualitätsmanagement. Vorausschauend hat unsere Klinik mit dem SCQM (Swiss Clinical Quality Management) ein solches Instrument bereits 1997 – und als erste europaweit – eingeführt. Inzwischen nehmen daran über 2’200 Patienten aus der ganzen Schweiz teil.

 

Forschung

Intensive Forschungsaktivitäten begleiten die Anwendung der TNF-Blocker. Schwerpunkt bildet die Untersuchung der molekularen Wirkungsmechanismen am Zentrum für Experimentelle Rheumatologie unter Leitung von Prof. Steffen Gay. Manche Projekte erfolgen auch in Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen unserers Spitals, beispielsweise mit dem Herz-Kreislauf-Zentrum der Kardiologie. Einen kürzlichen Höhepunkt dieser Aktivitäten stellte der Nachweis dar, dass Infliximab bei der rheumatoiden Arthritis die endotheliale Dysfunktion verbessern kann.

 

Einführung weiterer Zytokinblocker

Die Palette der Antizytokintherapien vergrössert sich rasch. Als weitere Substanzen werden wir demnächst Antikörper gegen Interleukin-6 und Interleukin-15 einführen. Zudem kommen auch Biologicals zur Anwendung, welche spezifisch gegen bestimmte Entzündungszellen oder ihre Interaktionen gerichtet sind; hierzu gehören der Anti-CD20-Antikörper Rituximab und das Fusionsprotein CTLA4Ig. Diese spannenden Entwicklungen lassen eine weitere Verbesserung unserer Behandlungsmöglichkeiten erhoffen. Unserem Fernziel, einmal bei allen Arthritispatienten eine Remission erreichen zu können, rücken wir damit immer näher.


Dr. med. Adrian Forster, Oberarzt, Leiter Sprechstunde für rheumatoide Arthritis, Rheumaklinik und Institut für Physikalische Medizin, Universitätsspital Zürich.



 
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