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Osteoporose bei chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten (M. Crohn, Colitis ulcerosa)

Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn und Colitis ulcerosa) haben in den letzten Jahren zugenommen. Obwohl sich, angetrieben durch therapeutische Erfolge mit neuen Medikamenten, den sogenannten Biologika, immer mehr Forscher mit Fragestellungen rund um die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen beschäftigen, stellen diese Erkrankungen für Patient und Arzt weiterhin eine lebenslange Herausforderung dar. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Gastroenterologie, Radiologie und Chirurgie ist entscheidend für ein effizientes Diagnose- und Therapiekonzept. Seit langem ist aber bekannt, dass die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen mit einer Reihe von Komplikationen assoziiert sind, die potentiell verhindert werden können.

 

Eine dieser Folgekrankheiten ist die Osteoporose: Auf der einen Seite ist die Osteoporose Folge der Therapien (Steroide), auf der anderen Seite ist sie auch Folge der Entzündungsreaktionen der Krankheit und Folge einer verminderten Resorption von Mineralstoffen und Vitaminen.

 

Eine genetisch beeinflusste, überschiessende und anhaltende Immunreaktion gegen die eigene Darmflora scheint eine der wichtigsten Ursachen der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zu sein. Auch Umwelteinflüsse sind von Belang. So wurde lange Zeit der Einfluss des Zigarettenrauchens beim Morbus Crohn als ungünstig eingeschätzt, nun zeigt sich sogar, dass Rauchen einen eindeutigen Risikofaktor in Genese und Unterhaltung dieser Erkrankung darstellt. Da die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und insbesondere der Morbus Crohn als systemische Erkrankungen betrachtet werden müssen, setzen therapeutische Überlegungen eine genaue Kenntnis des Organbefalls voraus. Therapeutisch scheint es zu einem Paradigmenwechsel zu kommen: Patienten werden nicht mehr erst dann behandelt, wenn die Symptome unerträglich geworden sind, sondern frühzeitig in ein therapeutisches Gesamtkonzept integriert, das sich an Ort und Ausmass des Befalls, an den Möglichkeiten des Patienten und auch des betreuenden Umfeldes orientiert.

 

Trotz den Fortschritten sind verschiedene Aspekte ungelöst. In den letzten Jahren ist in mehreren Arbeiten dokumentiert worden, dass sowohl eine Osteopenie, als auch eine Osteoporose bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen häufig vorkommen. Der zeitliche Verlauf, insbesondere die Zeitspanne bis zum Auftreten von solchen Veränderungen, sind aber nur ungenügend untersucht. Die Veränderungen in der Knochenmasse sind sehr variabel: einzelne Patienten zeigen eine sehr ausgeprägte Osteoporose, während andere nur minimale Knochenveränderungen aufweisen. Generell gilt die Steroidbehandlung als Risikofaktor, doch ist die Steroidtherapie nicht der einzige Risikofaktor; verschiedene Patienten haben eine ausgeprägte Osteoporose, obwohl sie sehr wenig Steroide zur Behandlung erhalten haben, während andere Patienten einen minimalen Knochenmassenverlust aufweisen trotz wiederholter, langdauernder Steroidbehandlungen. Bei Patienten mit M Crohn wurde eine verminderte Knochendichte (gemessen an vertebralen Frakturen) in 25% der Patienten nachgewiesen und dies auch in jüngeren Patienten unter 30 Jahren. Eine Messung der Knochendichte wird deshalb empfohlen für Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Speziell Patienten mit anderen Risikofaktoren (postmenopausale Frauen, Männer über 60 Jahre, Patienten mit niedrigem Body-Mass-Index, Patienten mit langdauernder Steroidbehandlung, Patienten mit Zeichen einer Malabsorption und Patienten mit einer Familienanamnese für Osteoporose; siehe Tabelle 1) sollten regelmässig kontrolliert und prophylaktisch behandelt werden.

Risikofaktoren für die Entwicklung einer Osteoporose bei Patienten mit entzündlichen Darmkrankheiten:
  • Menopause bei Frauen
  • Alter: Männer > 60 Jahre
  • Niedriger Body-Mass-Index
  • Wiederholte/langandauernde Steroidtherapie
  • Malabsorption
  • Positive Familienanamnese

Die Behandlung beinhaltet primär eine Kalzium- und Vitamin-D-Gabe, ein Rauchstopp und falls notwendig eine Hormonsubstitutionsbehandlung. Vor allem bei steroidinduzierter Osteoporose können Bisphosphonate hilfreich sein (Risendronat und Alendronat wurden bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen geprüft). Infliximab, ein chimärer monoklonaler Antikörper, der spezifisch den Tumornekrosefaktor alpha (TNFα) neutralisiert, vermehrt die Knochendichte. Ob diese Wirkung zu einer reduzierten Frakturrate führt, ist zur Zeit noch unklar.

 

Prof. Dr. med. Christoph Beglinger, Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Basel


Literaturhinweise
1. Lichtenstein GR, Sands BE, Pazianas M. Prevention and treatment of osteoporosis in inflammatory bowel disease. Inflamm Bowel Dis. 2006 Aug;12(8):797-813.
2. Kornbluth A, Hayes M, Feldman S, Hunt M, Fried-Boxt E, Lichtiger S, Legnani P, George J, Young J. Do guidelines matter? Implementation of the ACG and AGA osteoporosis screening guidelines in inflammatory bowel disease (IBD) patients who meet the guidelines' criteria. Am J Gastroenterol. 2006 Jul;101(7):1546-50.
3. Walther F, Fusch C, Radke M, Beckert S, Findeisen A. Osteoporosis in pediatric patients suffering from chronic inflammatory bowel disease with and without steroid treatment.. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2006 Jul;43(1):42-51.
4. Katz S.. Osteoporosis in patients with inflammatory bowel disease: risk factors, prevention, and treatment. Rev Gastroenterol Disord. 2006 Spring;6(2):63-71.
5. Bernstein CN. P. Osteoporosis in patients with inflammatory bowel disease. Clin Gastroenterol Hepatol. 2006 Feb;4(2):152-6.

 

 
Medizinspektrum
 
16.11.2006 - dde
 



 
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