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Kombinierte Radio-Chemotherapie bei Glioblastomen (WHO Grad IV)

Eine Studie zur Evaluation von Chemotherapie zusätzlich zur Strahlentherapie bei neu diagnostizierten Glioblastomen WHO Grad IV

 

Titel

Radiotherapy plus concomitant and adjuvant temozolomide for glioblastoma

 

Autoren

Stupp R, Mason WP, van den Bent MJ, Weller M, Fisher B, Taphoorn MJ, Belanger K, Brandes AA, Marosi C, Bogdahn U, Curschmann J, Janzer RC, Ludwin SK, Gorlia T, Allgeier A, Lacombe D, Cairncross JG, Eisenhauer E, Mirimanoff RO; European Organisation for Research and Treatment of Cancer Brain Tumor and Radiotherapy Groups; National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group

 

Quelle

N Engl J Med. 2005, Mar 10; 352(10):987-96

 

Abstract

 

Fragestellung?

Die Studie beschäftigt sich mit der Rolle einer zusätzlichen Chemotherapie zur bisherigen Standardtherapie (Radiotherapie) nach Operation oder Biopsie bei neu diagnostizierten Glioblastomen. Die alkylierende Substanz Temozolomide (Temodal®, Schering Plough) zusätzlich zur Radiotherapie wird verglichen mit Radiotherapie alleine.

 

Hintergrund

Das Glioblastom ist der häufigste primäre Hirntumor beim Erwachsenen und hat eine sehr schlechte Prognose. Der bisherige Behandlungsstandard in Europa für neu diagnostizierte Glioblastome bestand aus Resektion, soweit technisch und funktionell möglich, gefolgt von einer externen Radiotherapie. Das mittlere Überleben betrug damit jedoch weniger als ein Jahr. In der Rezidivsituation bei malignen Gliomen hat sich Temozolomide, eine orale, alkylierende Substanz als wirksam und gut verträglich erwiesen. Eine Phase-II-Studie konnte für die Kombination Temozolomide zusätzlich zur Radiotherapie bei neu diagnostizierten Glioblastomen eine gute Durchführbarkeit, erhaltene Verträglichkeit und eine beachtliche Wirksamkeit zeigen. Diese 2002 im Journal of Clinical Oncology publizierte Studie (Stupp et al; J Clin Oncol. 2002; 20(5):1375-82) war Grundlage für die hier besprochene randomisierte Phase-III-Studie.

 

Methoden

Patienten bis 70 Jahre mit einem neu diagnostizierten Glioblastom wurden nach der Operation (oder Biopsie) randomisiert und erhielten entweder die Standardtherapie, nämlich eine externe Bestrahlung mit 60 Gray oder die gleiche Radiotherapie plus täglich kontinuierlich Temozolomide. Im experimentellen Arm war die Kombinationstherapie gefolgt von weiteren sechs Monaten Chemotherapie mit Temozolomide in monatlichen Zyklen von 5 Tagen. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben.

 

Studiendesign

Randomisierte, Multizenter-Phase-III-Studie

 

Einschlusskriterien

Patienten mit einem neu diagnostizierten Glioblastom und einem guten WHO-Performance-Status (2 oder weniger), unter stabiler oder abnehmender Steroid-Medikation. Alter zwischen 18 und 70 Jahre. Adäquate hämatologische und chemische Laborparameter, wie im Protokoll definiert. Die teilnehmenden Studienzentren mussten ein ethisches Votum vorliegen haben und die Einverständniserklärung des Patienten war Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie.

 

Ausschlusskriterien

Patienten mit schlechtem Allgemeinstatus, vorherige Radio- oder Chemotherapie

 

Intervention

Innerhalb von sechs Wochen nach Operation eines Glioblastoms wurden die Patienten randomisiert in den Standardarm Radiotherapie (60 Gy in 2 Gy Fraktionen täglich während 5 Tagen pro Woche über 6 Wochen). Patienten im experimentellen Studienarm erhielten zusätzlich Temozolomide, (eine orale alkylierende Substanz) täglich kontinuierlich während der gesamten Bestrahlung in einer Dosierung von 75 mg/m2. Nach Abschluss der Radiotherapie und einer vierwöchigen Pause wurde die Chemotherapie weitergeführt an fünf Tagen pro Monat in einer Dosierung von 150 – 200 mg/m2 während sechs Monaten.

 

Primäre Endpunkte

Gesamtüberleben

 

Sekundäre Endpunkte

Progressionsfreies Überleben, Lebensqualität, Sicherheit und Tolerabilität der Therapie, Gesundheitskostenanalyse

 

Beobachtungsdauer

Die mittlere Beobachtungsdauer betrug 28 Monate.

 

Resultate

Basisdaten/Patienten

Total 573 Patienten wurden aus 85 Zentren randomisiert, 286 Patienten erhielten Radiotherapie alleine, 287 erhielten Temozolomide zusätzlich zur Radiotherapie gefolgt von 6 Monaten Temozolomide. Das mediane Alter betrug 56 Jahre.

 

Vergleich der Endpunkte

Das mediane Überleben für die Kombination Radiotherapie plus Chemotherapie betrug 14.6 Monate und für Radiotherapie alleine 12.1 Monate. Das 2-Jahres-Überleben lag bei 26.5% in der Kombinationsbehandlung und bei 10.4% in der Radiotherapie Mono-Gruppe.

 

Diskussion durch die Autoren

Zusätzliche Chemotherapie zur Radiotherapie beim neu diagnostizierten Glioblastom führt zu einem klinisch bedeutsamen und statistisch signifikanten Überlebensvorteil mit minimaler zusätzlicher Toxizität

 

Zusammenfassender Kommentar

Dies ist die erste grosse randomisierte Multizenter-Studie, die einen eindeutigen Überlebensvorteil für eine up-front Kombinationstherapie (Radio- und Chemotherapie) bei neu diagnostizierten Glioblastomen zeigt. Dieser Überlebensvorteil (26.5% versus 10.4% 2-Jahresüberleben) ist bei dieser fatalen Krankheit als klarer Fortschritt zu werten und die Kombinationstherapie als vorläufiger neuer Standard zu akzeptieren. Patienten auf dem Radiotherapie-Mono-Arm hatten die Möglichkeit, bei Tumorprogression ebenfalls von der Chemotherapie mit Temozolomide zu profitieren. Der späte Einsatz von Chemotherapie (erst beim Rezidiv) konnte aber die besseren Resultate einer up-front Therapie nicht mehr aufholen. Diese wichtige Studie hat auch interessante molekulargenetische Resultate hervorgebracht. Die Analyse des Tumorgewebes ergab einen Überlebensvorteil für Patienten mit einem inaktivierten (methylierten) MGMT-Gen unabhängig von der Behandlungsart. Dieses Gen ist ein DNS-Reparaturgen. Ob das inaktivierten MGMT-Gen der einzige Parameter für ein besseres Therapieansprechen ist, bleibt abzuwarten. Zur Zeit ist ein solcher Gentest für einen Therapieentscheid nicht routinemässig in der Klinik erhältlich. Offen bleibt auch die Frage, ob die sechswöchige Kombinationstherapie oder die anschliessende 6-monatige alleinige Chemotherapie oder beide Teile einen entscheidenden Einfluss auf das Studienergebnis hatten. Schade, dass diese Frage nach Abschluss dieser Studie kaum mehr beantwortet werden kann, sie hätte auch ökonomische Konsequenzen gehabt. Die beschriebenen Therapieresultate sind ausschliesslich für Glioblastom-Patienten erhoben worden und sollten nicht unkritisch auf alle übrigen malignen Gliome übertragen werden. Eine vergleichende Studie für anaplastische Gliome (WHO III) ist bei der EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer) in Vorbereitung.


Im Lancet Oncology (Dezember 05 Ausgabe) ist ein weiterer Endpunkt der hier besprochenen Studie publiziert worden. Die Lebensqualität (QoL) bezogen auf den Gesundheitszustand der Patienten ergab keine Beeinträchtigung der QoL im kombinierten Therapiearm.


Besprechung von Dr. med. Silvia Hofer, Oberärztin
Klinik und Poliklinik für Onkologie, Universitätsspital Zürich

 

N Engl J Med. 2005, Mar 10; 352(10):987-96 - Stupp R et al

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