Leaderboard

Sie sind hier: Fachliteratur » Studienbesprechungen 26. Dezember 2024
Suchen
tellmed.ch
Studienbesprechungen
Erweiterte Suche
Fachliteratur
Journalscreening
Studienbesprechungen
Medizin Spektrum
medinfo Journals
Ars Medici
Managed Care
Pädiatrie
Psychiatrie/Neurologie
Gynäkologie
Onkologie
Fortbildung
Kongresse/Tagungen
Tools
Humor
Kolumne
Presse
Gesundheitsrecht
Links
 

Zum Patientenportal

 
Schrift: Schrift grösser Schrift kleiner Als Email versenden Druckvorschau

 Das Portal für Ärztinnen und Ärzte

Tellmed richtet sich ausschliesslich an Mitglieder medizinischer und pharmazeutischer Berufe. Für Patienten und die Öffentlichkeit steht das Gesundheitsportal www.sprechzimmer.ch zur Verfügung.

 

Rect Top

Nahrungsfasern und kolorektale Karzinome

Faserhaltige Nahrungsmittel scheinen das Risiko für kolorektale Karzinome zu vermindern.

Titel

Dietary fibre in food and protection against colorectal cancer in the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition (EPIC): an observational study.

 

Autoren

Bingham SA, Day NE, Luben R, Ferrari P, Slimani N, Norat T, Clavel-Chapelon F, Kesse E, Nieters A, Boeing H, Tjonneland A, Overvad K, Martinez C, Dorronsoro M, Gonzalez CA, Key TJ, Trichopoulou A, Naska A, Vineis P, Tumino R, Krogh V, Bueno-de-Mesquita HB, Peeters PH, Berglund G, Hallmans G, Lund E, Skeie G, Kaaks R, Riboli E.

 

Quelle

Lancet 2003 May 3;361(9368):1496-1501

 

Abstract

 

 

Fragestellung 

Hat die orale Zufuhr von Nahrungsfasern einen Einfluss auf das Risiko für kolorektale Karzinome?

 

Hintergrund

Der Einfluss der faserreichen Kost auf das Risiko für kolorektale Karzinome ist kontrovers diskutiert worden. In mehreren grossen, prospektiven Studien konnte kein Effekt von Fasern auf das Karzinomrisiko nachgewiesen werden. Weitere Untersuchungen zeigen, dass weder lösliche Fasern noch die vermehrte Zufuhr von Gemüse das Entstehen von adenomatösen kolorektalen Polypen reduzieren konnten. Die Sterblichkeitsrate an kolorektalen Karzinomen bei Vegetariern unterscheidet sich nicht von der bei Nichtvegetariern. Ein Kritikpunkt bei den bisher durchgeführten Studien war, dass diese in umschriebenen Bevölkerungsgruppen durchgeführt wurden, deren diätetische Gewohnheiten relativ homogen waren. Aus diesem Grund wurde nun in einer grossen, multinationalen Studie versucht, Personen mit unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten einzuschliessen.

 

Methoden und Studiendesign

Prospektive Observationsstudie mittels Fragebogen und Krebsregister
22 europäische Zentren aus Dänemark, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlanden, Norwegen, Spanien, Schweden und England nahmen an dieser Untersuchung teil. Es wurden Personen zwischen 25 und 70 Jahren rekrutiert, wobei die Testpersonen für die Normalbevölkerung repräsentativ waren. 519’978 Testpersonen wurden in die Studie eingeschlossen. Fragebogen zu Ernährungsgewohnheiten und zum Lebensstil waren zwischen 1992 und 1998 zu beantworten. Die Karzinomentstehung wurde je nach Patientensubgruppe bis 1998, 1999 und 2002 dokumentiert.

 

Die diätetischen Gewohnheiten wurden durch landesspezifische Fragebogen erhoben. Der Fragebogen enthielt Fragen zu Ausbildung, Sozialstatus, beruflicher Beschäftigung, Krankheitsanamnese, operativen Eingriffen, Alkohol- und Nikotinkonsum sowie zur sportlichen Aktivität. Für das Follow-up wurden Krebsregister aus den meisten europäischen Ländern verwendet; nur für Deutschland, Frankreich und Griechenland mussten auf Alternativen wie Krankenversicherungsreporte zurückgegriffen werden.

 

Die statistische Analyse wurde nicht in der Gesamtpopulation, sondern innerhalb von Regionen separat durchgeführt. Die Analyse erfolgte durch eine COX-Regression. Je nach zugeführter Fasermenge wurden die Studienteilnehmer in 5 Gruppen aufgeteilt. Alter, Gesamtenergiezufuhr und Nikotin- und Alkoholkonsum wurden mit in die Analyse integriert. Das COX-Regressionsmodell wurde für jedes Individuum mit altersspezifischen und zentrumsspezifischen Daten adaptiert berechnet.

 

Resultate

Insgesamt wurden 1’939’011 Personenjahre untersucht. In dieser Zeit wurden 1’065 kolorektale Karzinome beobachtet. 706 Tumoren waren im Kolon festgestellt worden (287 im rechten Kolon, 286 im linken Kolon, 133 nicht weiter spezifiziert). Weitere 359 Tumoren waren im Rektum nachgewiesen worden. Die Patienten wurden in 5 Gruppen in Abhängigkeit von der Nahrungsfaserneinnahme pro Tag randomisiert. Dabei konnte festgestellt werden, dass das Risiko mit Zunahme der Faserneinnahme signifikant sank (p = 0.005). Dies traf sowohl für die Kolon- als auch für die Rektumkarzinome zu. Das Geschlecht, die gleichzeitige Einnahme von rotem oder gut gegartem Fleisch oder Alkohol beeinflusste diese Ergebnisse nicht. Bei der Analyse der Quellen für die Fasern kamen länderspezifische Unterschiede zum Vorschein. In manchen Ländern stammten die Nahrungsfasern eher aus Cerealien, bei anderen eher aus Früchten. Bezüglich des Auftretens von kolorektalen Karzinomen war bedeutungslos aus welchen Nahrungsmitteln die Fasern stammten.

 

Diskussionen durch die Autoren

Die möglichen Pathomechanismen der faserreichen Kost, welche zu einer Reduktion der kolorektalen Karzinome führen, umfassen die Vermehrung des Stuhlgewichts, die Reduktion der Transitzeit, die Verdünnung des Koloninhaltes sowie die Stimulation der anaeroben bakteriellen Fermentation. Diese Prozesse reduzieren den Kontakt zwischen Darminhalt und Mukosa und führen zu einer Bildung von kurzkettigen Fettsäuren. Diese reduzieren den pH und führen primäre in sekundäre Gallensäuren über. In der vorliegenden Studie wurde gezeigt, dass die Menge der zugeführten Nahrungsfasern umgekehrt mit dem Risiko für kolorektale Karzinome korreliert. Es wurden jedoch nur die Fasern, die in Nahrungsmitteln enthalten sind, berücksichtigt. Somit kann anhand dieser Studie keine Aussage darüber gemacht werden, ob eine Gabe von Fasern zusätzlich zur Nahrung einen Einfluss auf das Karzinomrisiko hat. Weiterhin gibt es keinen Hinweis, dass Nahrungsmittelfasern aus verschiedenen Nahrungsmitteln eine unterschiedlich protektive Wirkung haben.

 

Nach wie vor ist die Datenlage bezüglich Fasern und Reduktion des Risikos für kolorektale Karzinome uneinheitlich. Die US Nurses Health Study zeigte keine Assoziation zwischen dem Konsum von Nahrungsfasern und dem Auftreten von kolorektalen Karzinomen oder Adenomen (Fuchs et al ; NEJM 1999; 340: 169-76). Ein Grund hierfür könnte die im Vergleich zur vorliegenden Studie reduzierte und weniger variationsreiche Faserneinnahme in der US Nurses Kohorte sein. In der vorliegenden Studie lag der tägliche Fasernkonsum zwischen 12.6 g und 33.1 g, während er in der US Nurses Health Study nur 9.8 g-24.9 g betrug. Die vorliegende Studie wurde nur über einen begrenzten Zeitraum durchgeführt. Die Daten könnten durch einen längeren Beobachtungszeitraum erhärtet werden.

 

Zusammenfassender Kommentar

Kolorektale Karzinome sind die zweithäufigste Todesursache unter den Karzinomleiden. Immer wieder wurden Ernährungsfaktoren in der Pathogenese dieser Erkrankung diskutiert. Körperliche Passivität oder Adipositas wurden als mögliche Risikofaktoren für kolorektale Karzinome diskutiert. Des weiteren wurden dem Genuss von rotem Fleisch und gesättigten Fettsäuren ein negativer Effekt zugeschrieben, während Kalzium und Folsäure offensichtlich einen präventiven Effekt auf die Karzinomentstehung haben. Kolorektale Karzinome entwickeln sich durch einen mehrstufigen Prozess, der durch histopathologische Frühstadien und durch molekular-genetische Alterationen charakterisiert ist. Schon seit mehreren Jahren wurde diskutiert, ob die verstärkte Einnahme von Fasern einen Einfluss auf die Karzinogenese im Kolon haben könnte. Leider sind die bisher publizierten Studienergebnisse sehr kontrovers. Dieses liegt zum einen am Studiendesign, zum anderen jedoch auch an der Schwierigkeit, den Fasergehalt in der Nahrung während einer Studie exakt zu definieren. Fasern sind in der Nahrung nur schwer exakt zu messen. Da bei einer Testperson mehrere wichtige Variablen, wie u.a. Vitamingehalt, Gehalt an ungesättigten Fettsäuren, Zufuhr von rotem Fleisch, gleichzeitiger Nikotin- und Alkoholkonsum ebenfalls einen Einfluss auf die Karzinomentstehungen haben könnten, sind einfach «gestrickte» Studien, die nur den Fasergehalt in der Kost berücksichtigen, nicht brauchbar. In der vorliegenden Studie wurden die meisten dieser Faktoren sorgfältig berücksichtigt und es wurde eine sehr grosse Patientenzahl eingeschlossen. Die Untergliederung der Studienpopulation in 5 Subgruppen, welche anhand der täglich zugeführten Fasermenge definiert wurden, zeigt tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Faserzufuhr und dem Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Offensichtlich spielt die pro Tag aufgenommene Menge an Fasern eine wichtige Rolle. Zur Erlangung einer protektiven Wirkung sollte der Fasergehalt um 30 g pro Tag gesteigert werden. Möglicherweise war diese Fasermenge bei der US Nurses Health Study nicht erreicht worden. Trotz der positiven Resultate der vorliegenden Studie, dass durch faserreiche Kost das Karzinomrisiko um ca. 40% gesenkt werden kann, bleibt natürlich offen, ob wirklich die Nahrungsfasern alleine einen Einfluss auf das Entstehen von kolorektalen Karzinomen haben. Möglicherweise spielen andere Inhaltsstoffe der entsprechenden faserhaltigen Nahrungsmittel, wie z.B. diverse Zucker, eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Karzinogenese. Nicht zu unterschätzen sind auch die Nebenwirkung wie Flatulenz, die von einigen Patienten nach Umstellung auf eine faserreiche Kost beschrieben werden. Am Ende müssen wir uns fragen, was wir unseren Patienten empfehlen sollen: Eine vitaminhaltige, ausgewogene Ernährung wird in jedem Falle dem Patienten nicht nur zur Prävention der kolorektalen Karzinome, sondern auch bezüglich anderer Erkrankungen von Nutzen sein. Auch wenn es nicht die Fasern in der Kost sind, so werden zumindest andere Faktoren, wie Kalzium und Folsäure, die in dieser Ernährung präsent sein sollten, einen günstigen Einfluss bezüglich einer Reduktion des kolorektalen Karzinomrisikos haben.

 

Besprechung von PD Dr. med. F. Seibold, Leitender Arzt, Abt. für Gastroenterologie, Inselspital Bern.

 

Lancet 2003 May 3;361(9368):1496-1501 - S. A. Bingham et al

28.02.2004 - dde

 
Adserver Footer
Rect Bottom
 

Fachbereiche
Ernährung
Gastroenterologie
Onkologie
Artikel zum Thema

medline Related Articles

Fachportal Gastroenterologie:
Abklärung, Diagnose
Therapie, Prävention

Eisen-Fachportal:
Eisenmangel und Eisenmangelanämie
Sprechzimmer: Patientenratgeber
Sky right 1