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Statintherapie und Schlaganfall beim akuten Koronarsyndrom

Besprechung der MIRACL-Substudie zum Einsatz von Atorvastatin beim akuten Koronarsyndrom.

Titel

Effects of atorvastatin on stroke in patients with unstable angina or non-Q-wave myocardial infarction. A myocardial ischemia reduction with aggressive cholesterol lowering (MIRACL) substudy.

 

Autoren

Waters DD, Schwartz GG, Olsson AG, Zeiher A, Oliver MF, Ganz P, Ezekowitz M, Chaitman BR, Leslie SJ, Stern T; MIRACL Study Investigators.

 

Quelle

Circulation 2002;106:1690-5

 

Abstract

 

 

Fragestellung 

Die Studie untersuchte die Wirkung einer aggressiven Cholesterinsenkung mit Atorvastatin auf die Hirnschlaginzidenz bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom.

 

Hintergrund

Ein Hirnschlag ist bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ein eher seltenes klinisches Ereignis. Ein Schlaganfall kann hämorrhagisch als Konsequenz der üblichen intensiven Plättchen-hemmenden Therapie auftreten, embolisch als Folge eines atrialen oder linksventrikulären Thrombus’, sowie ischämisch bei zerebrovaskulärer Atherosklerose. Die kurzfristigen Wirkungen einer Statintherapie auf die Hirnschlaginzidenz wurden bisher nicht untersucht, während die günstigen Langzeiteffekte der Statine auf koronare und zerebrovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit gut belegt sind.

 

Methoden

Die vorliegende Studie ist eine Substudie der MIRACL-Studie, die Patienten mit akutem Koronarsyndrom frühzeitig nach Spitaleintritt zur Statintherapie oder Gabe von Placebo randomisierte.

 

Studiendesign

Randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde klinische Multizenterstudie mit zwei Behandlungsarmen. 24 bis 96 Stunden nach Spitaleintritt wurden die Patienten randomisiert einer Behandlung mit Atorvastatin (80 mg/Tag) oder Placebo zugeführt.

 

Setting

Multizenterstudie mit 122 teilnehmenden Zentren in 19 Ländern.

Einschlusskriterien

Patienten mit Thoraxschmerz von mindestens 15 Minuten Dauer in den vorausgehenden 24 Stunden wurden bei positivem Ischämienachweis in die Studie eingeschlossen. Objektive Hinweise für eine myokardiale Ischämie waren dynamische ST- oder T-Veränderungen im EKG, ein erhöhter Troponin-, CK- oder CK-MB Wert im Labor, neuaufgetretene Wandbewegungsstörungen in der Echokardiographie oder ein Ischämienachweis in der Myokardszintigraphie.

 

Ausschlusskriterien
  • Total Cholesterin > 270 mg/dl (> 7 mmol/l)
  • Geplante koronare Revaskularisation
  • Akuter Q-Zacken-Myokardinfarkt im vorausgehenden Monat
  • Aortokoronare Bypassoperation in den vorausgehenden 3 Monaten
  • Perkutane koronare Intervention in den vorausgehenden 6 Monaten
  • Schwere Herzinsuffizienz
  • Insulinabhängiger Diabetes mellitus
  • Linksschenkelblock oder Schrittmacherrhythmus
  • Behandlung mit anderen Lipidsenkern (ausser niedrig-dosiertem Niacin)
  • Schwere Anämie
  • Dialysepflichtige Niereninsuffizienz
  • Leberdysfunktion
  • Schwangerschaft oder Stillzeit
  • Einnahme anderer Medikamente, die in Kombination mit Statinen das Risiko für Rhabdomyolyse erhöhen
Endpunkte

Primärer Endpunkt war die Kombination aus Tod, nicht-fatalem Myokardinfarkt, überlebtem Herzstillstand und notfallmässiger Hospitalisation.

 

Sekundäre Endpunkte waren nicht-fataler Hirnschlag, neuaufgetretene oder zunehmende Herzinsuffizienz, zunehmende Angina pectoris während der Hospitalisation ohne Ischämienachweis und koronare Revaskularisation.

 

Beobachtungsdauer

Die Patienten wurden 16 Wochen behandelt bzw. beobachtet. Klinische Kontrollen fanden nach 2, 6 und 16 Wochen statt.

 

Resultate

Bei 3’086 Patienten traten 38 zerebrovaskuläre Ereignisse auf (Inzidenz: 1.2% in 16 Wochen), von denen 29 thrombotischer oder embolischer Ätiologie, 3 hämorrhagischer Ursache und 5 nichtklassifizierbar waren. 13 Insulte traten bei Patienten unter Atorvastatintherapie auf (davon endeten 3 tödlich); in der Placebogruppe wurden 25 Insulte beobachtet (davon 2 tödliche). Dieser Unterschied war statistisch signifikant. Alle 3 hämorrhagischen Schlaganfälle traten in der Placebogruppe auf.

 

Prädiktoren eines Schlaganfalles waren frühere zerebrale oder myokardiale Infarkte und persistierender Nikotinkonsum.

 

Diskussion durch die Autoren

Die frühbegonnene Therapie mit Atorvastatin (80 mg/Tag) halbiert das Risiko für einen zerebralen Insult in den 16 Wochen nach erlittenem akutem Koronarsyndrom. Damit erweitert die vorliegende Studie frühere Resultate der 4S und CARE-Trials, die bei Patienten mit chronischer koronarer Herzkrankheit eine Reduktion der zerebralen und koronaren Ereignisse gezeigt haben.

 

Zusammenfassender Kommentar

Diese MIRACL-Substudie zeigt, dass eine kurz nach Spitaleintritt wegen akutem Koronarsyndrom begonnene hochdosierte Statintherapie mit Atorvastatin das Risiko eines zerebralen Schlaganfalles reduziert. In früheren Studien trat der positive Effekt einer Statintherapie erst nach ein bis zwei Jahren auf. Im Gegensatz dazu stehen die auch kurzfristig günstigen Wirkungen der Statintherapie in der vorliegenden Studie.

 

Die Schlaganfallinzidenz in dieser MIRACL-Substudie lag mit 1.2% in 16 Wochen in einem erwarteten Bereich bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom. Diese Inzidenz war allerdings weit höher als bei den chronischen Patienten der 4S- und CARE-Studie. Grund dafür könnte das Vorhandensein vulnerabler atherosklerotischer Plaques auch in anderen Gefässgebieten als nur den Koronarien bei diesen Patienten mit akutem Koronarsyndrom sein.

 

Ursache der meisten ischämischen zerebralen Insulte sind Thromboembolien aus Plaques im Aortenbogen und den Carotiden. Statine können über multiple Wege in diesen Prozess eingreifen, indem sie über die Cholesterinsenkung Plaques stabilisieren, die Plättchenaggregation und die Gerinnungskaskade hemmen und antientzündlich wirken. Die Hemmung der bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom vorhandenen generalisierten Entzündung könnte die positive Wirkung der Statine auch im zerebrovaskulären Kreislauf miterklären.

 

Besprechung von Dr. med. Lukas Spieker und Prof. Dr. med. Georg Noll, Kardiologie, HerzKreislaufZentrum, UniversitätsSpital

 

Circulation 2002;106:1690-5 - D. D. Waters et al

18.02.2004 - dde

 
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